Eine Frage, die sich/mir viele meiner Klienten über sich und ihr Innenleben stellen. Eine Frage, die ich mir selbst häufig gestellt habe, wenn ich mich dann und wann wie ein Alien in der Welt gefühlt habe. Hier bin ich, der seltsame Typ und dort sind alle die anderen, die „es raushaben“ mit sich und dem anständigen Leben.

Wie beruhigend es wirken kann, wenn man jemanden auf der Strasse trifft, der offensichtlich etwas neben der Spur ist. Da fühlt man sich gleich ein wenig normaler.
Doch was bedeutet das eigentlich, normal zu sein?
Hinter der Frage „Bin ich normal?“ verbirgt sich im Grunde die Überzeugung, dass etwas „an mir nicht stimmt“ oder „nicht stimmen kann“. Ausdruck der Ungewissheit darüber, ob all das seelische Leiden denn tatsächlich hierher zu mir gehört.
Du gehörst zu den Menschen, denen ein Ozean von Trauer, erdrückende Angstzustände, depressive Episoden, ein verletztes Selbstwertgefühl, sowie Schwierigkeiten sich selbst zu lieben vertraut sind?
Aus deiner Kindheit trägst du Traumata, weil du emotional vernachlässigt wurdest? Du mühst dich in intimen Beziehungen, weil dir ein Grundmass an Selbstsicherheit im Zwischenmenschlichen fehlt?
Na dann herzlichen Glückwunsch!
Soweit ich das bisher beobachten kann, bist du ziemlich normal. Damit gehörst du wahrscheinlich zur Generation derjenigen, die die Altlasten ihrer hoffnungslos überforderten Vorfahren aufräumen. Die Eltern, Grosseltern und Urgrosseltern, die ausserhalb der Zeit lebten, in der psychologisches Grundwissen und Arbeit an sich selbst Mainstream waren.
Generationen, die vielleicht ausschliesslich zur Deckung existenzieller Grundbedürfnisse arbeiten gingen. Generationen, die vielleicht damit beschäftigt waren Dinge aushalten, die tiefe Gräben ins Herz ihrer Würde rissen. Krieg, Gewalt, Flucht und repressive politische Systeme, in denen ihr Selbst nie vollends erblühen durfte. Viel weniger davon genügt aber auch schon, um emotional unterernährt aufzuwachsen.
Jede menschliche Existenz ist, wie alles Lebendige, auch das Eingeständnis der eigenen Verletzlichkeit. Das Normalste, was es gibt.
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