An sich ist das Leben ein einziger Prozess, in dem Wandel und Transformation relativ häufig, wenn nicht ständig, vollzogen werden. Das betrifft nicht nur uns Menschen, sondern die Natur und alles Lebendige darin insgesamt. Der Herbst durchläuft den Übergangsritus jedes Jahr sehr ansehnlich auf seine Weise. Eine Metapher für einen Prozess, der sich im Inneren meist alles andere als leicht und farbenfroh abspielt.
Irgendwann kommt immer der Moment, in dem ein Übergang unvermeidbar wird und eine Art Sterbe- und gleichzeitiger Geburtsprozess in Gang gesetzt werden (natürlich nicht wortwörtlich gemeint). Etwas Altes geht und macht Platz für Neues.
Mal leise, inkrementell und beständig im Hintergrund als eine Akkumulation von Lebensereignissen, die in einen grossen Umbruch mündet. Mal plötzlich und intensiv, ausgelöst durch Ereignisse wie Krankheit, Elternschaft, Tod von Nahestehenden, Job-Verlust, Beziehungsende usw.. Ereignisse, die wie Katalysatoren wirken und all das in uns anstossen, was sich heimlich schon so lange nach Wachstum und Transformation gesehnt hat.
Transformationen besitzen häufig einen disruptiven Charakter. Sie rütteln heftig an unserem verfestigten Selbstgefühl und dem umgebenden Lebenskonstrukt. Sie stiften vorübergehend Chaos und konfrontieren rigide Selbstbilder. Transformation bedeutet, dass etwas von einem Zustand A in einen Zustand B übergeht (trans-form). Wenn wir uns nicht voller Offenheit, Vertrauen und Zuversicht in diesen Prozess lehnen, treffen wir unweigerlich auf Hindernisse, Schichten von Widerständen und nicht selten den Wunsch umzukehren. Umzukehren, alles ungeschehen machen und sich selbst am altbekannten Ort wieder aufzustellen. Einem Ort jedoch, an dem wir ehrlicherweise weder sein möchten, noch hingehören, weil er längst zu eng geworden ist. Diese Schichten müssen und wollen unbedingt penetriert werden, möchten wir den Wandel vollständig vollziehen und in die neue Form geboren werden. In ein grösseres und weiteres Sense-of-Self, von wo aus wir uns in gereifter Weise auf die Welt beziehen.
Die Schichten und Hindernisse zu durchdringen bedeutet auch den tiefen Sinn darin zu begreifen, daraus zu lernen und damit zu vermeiden in endlosen Schlaufen der Wiederholung stecken zu bleiben. Denn das Leben wird auf jeden Fall Wege finden, um das Lehrmaterial mit der notwendigen Botschaft zu überliefern und Expansion zu provozieren. Liebesbeziehungen sind dafür ein gutes Beispiel, weil sich toxische Muster und Charakteristika partnerübergreifend reinszenieren, ehe wir sie erkennen und umwandeln.
Im Erleben sind solche Übergangsriten nicht selten von einem Gefühl von Orientierungslosigkeit, Verwirrung und Kontrollverlust begleitet. Als würde man innerlich durch einen Engpass manövrieren, in dem alte Wege ausgetreten und neue noch nicht gefunden sind. Als würde das Ich, wie man es lange kannte und funktionstüchtig sah, schrittweise zerfallen und einer grossen Ungewissheit weichen. Als würde man in sich selbst sterben.
Im Kern fühlt sich das schrecklich an, denn wir lieben es zu wissen, was passiert und wer wir sind. Wir lieben es alles in und um uns herum zu kontrollieren, uns in Sicherheit zu wähnen und handlungsfähig zu sein. Denn ohne Kompass und Steuerrad, wissen wir ja nicht mehr worauf wir zusteuern und was geschieht, wenn wir den dunklen Rand des Abgrunds berühren. Doch genau hier liegt ein magischer Moment. Die Momente der Dunkelheit fordern uns maximal heraus, dem Leben selbst zu vertrauen und in Verbindung mit dem grösseren Ganzen zu treten. Solche Phasen fordern uns auf loszulassen und sich damit anzufreunden nicht alles zu wissen, nicht alles zu verstehen und nicht mehr alles in die üblichen Boxen stecken zu wollen. Sie dehnen uns und laden uns ein mit dem Leben selbst in Konsens zu kommen.
In diesen magischen Momenten offenbaren sich Kräfte, die uns ziehen, informieren und formen. Impulse, deren Sprache viel subtiler und doch deutlich ist, wenn wir genau hinhören. Es entsteht eine Flussrichtung, Wachstum und Neuorganisation dessen, was zuvor schmerzlich zerlegt wurde. Diese Momente bringen uns an Orte, Menschen und Konstellationen, die wir im Vorfeld niemals hätten planen und erahnen können. Sie bringen uns zu uns selbst.
Der Moment, in dem Menschen meine Unterstützung aufsuchen, geschieht häufig bereits in Anbahnung eines solchen Prozesses. Ein Prozess, der an Tiefe und Weite gewinnt, sobald wir dem Inneren Gehör schenken. Sobald wir spüren, dass es jemanden an meiner Seite gibt, der mit dem Terrain vertraut ist. Einen Reisebegleiter, der mir Halt, Orientierung und Ressourcen auf den Weg mitgibt.
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